Das Verwaltungsgericht Gera verhandelte die Klage (1) der in Ronneburg/Thüringen ansässigen US Firma Deployment Medicine International gegen den Freistaat Thüringen am 2. Oktober 2012. Das Unternehmen wollte Tierversuche an lebenden Schweinen im Rahmen der Ausbildung von Soldaten und Sanitätern durchführen. Nachdem das Thüringer Sozialministerium 2010 diese Tierversuche untersagte, klagte Deployment Medicine International. Die Firma zog während der Gerichtsverhandlung ihre Klage zurück, nachdem für die Versuche von drei Gutachtern (2) sowohl wissenschaftliche als auch pädagogische Mängel festgestellt wurden.
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte, der die Verhandlung vor Ort verfolgte, begrüßt die Einstellung des Verfahrens. „Die Gutachter haben unsere Argumente voll und ganz bestätigt: Erstens gibt es ausreichend modernde tierversuchsfreie Alternativen (3). Zweitens suggeriert die Ausbildung an narkotisierten Schweinen eine falsche Sicherheit beim Ersthelfer, die im Ernstfall das Leben der verletzten Soldaten gefährdet. Deshalb sollte drittens die Ausbildung so praxisnah wie möglich, z.B. in der Notfallmedizin, erfolgen,“ so Dr. Astrid Schmidt, Leiterin des Projektes ‘SATIS für humane Ausbildung‘.
In den geplanten Experimenten sollten narkotisierten Schweinen Gefechtsverletzungen wie Stichwunden oder Gliedmaßenverluste zugefügt werden, um die Wundversorgung zu trainieren. Danach sollten die Tiere getötet werden. Wie rückständig die beantragten Versuche sind, unterstreicht auch folgende Entwicklung: Die Bundeswehr führt nach eigenen Aussagen keine Tierversuche zu Trainingszwecken mehr durch, und in den USA läuft derzeit ein Gesetzgebungsverfahren zur Abschaffung von Tierversuchen beim Militär. Ein ähnliches Vorhaben des US-Militärs in Grafenwöhr/ Oberpfalz (Bayern) wurde 2010 gerichtlich verhindert. Die große Mehrzahl US-amerikanischer Militär- und Zivilmedizinzentren setzen zudem bereits human-basierte Ausbildungsprogramme ein.
Als Schlusslichter hatten die Universitäten Aachen und Ulm im letzten Jahr die Verwendung lebender Schweine im Studium beendet. SATIS sieht nun auch die zivile Weiterbildung von Humanmedizinern in der Bringschuld. Der Einsatz lebender Schweine zur Schulung von Chirurgen rückt durch den Gerichtsentscheid in Erklärungsnot, denn selbst komplizierte OP-Techniken wie am schlagenden Herzen können inzwischen an Alternativen trainiert werden.
(1) Aktenzeichen: 1K584/11/GE
(2) Professor Burghart Jilge, Universität Ulm (Tierforschungszentrum),
OA Dr. med. Jens Reichel, Ärztlicher Leiter Rettungsdienst Jena / Weimar und Fachbereichsleiter Notfallmedizin, Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Universitätsklinikum Jena,
Prof. Dr. Florian Steger, Institutsdirektor des Uniklinikums Halle
(3) Als Alternativen stehen z. B. Patientensimulatoren zur Verfügung. An diesen menschengroßen Hightech-Puppen werden Kriegsverletzungen, wie schwere Blutungen, Knochenbrüche, Amputationen, Verbrennungen oder auch der Transport von Verletzten simuliert. Eingesetzt werden diese u.a. in nachgestellten Gefechtssituationen, in denen ‚verletzte und traumatisierte’ Menschen von geschulten Schauspielern professionell nachgestellt und durch die angehenden Mediziner realitätsnah ‚behandelt’ werden müssen. Außerdem können einfache Hautsimulatoren zur Übung der Versorgung von Schnittwunden bzw. Armmodelle zum Training von Injektionen genutzt werden. Zur Recherche nach passenden Alternativen aus verschiedensten Fachbereichen kann die deutschsprachige InterNICHE-Alternativen-Datenbank herangezogen werden.