SATIS-Hochschul-Wegweiser informiert über Tiernutzung und Alternativen im Studium


Der SATIS-Hochschul-Wegweiser wurde 2023 im Rahmen einer deutschlandweiten Online- und Telefonumfrage an 462 Kursverantwortliche von 711 Kursen der Biologie und Biologie-verwandten Studiengängen (Bachelor und Lehramt) sowie in der Human- und Veterinärmedizin erstellt. Er ist eine umfassende Orientierungshilfe für Studierende, wo in Deutschland ein weitgehend tierverbrauchsfreies Studium möglich ist. Das über 150-seitige Nachschlagewerk richtet sich auch an Dozierende. Denn die Übersicht zeigt auf, mit welchen Alternativen an anderen Universitäten die Nutzung von lebenden oder getöteten Tieren für Übungen vermieden wird.

Der zunehmende Einsatz von tierleidfreien Lehrmethoden, wie Videos, Modelle, Simulationsprogramme und -geräte, Selbstversuche, Dauerpräparate und Spendertiere, die natürlich verstorben sind oder aus medizinischen Gründen eingeschläfert wurden, zeigt, dass Studierende die Lernziele auch erreichen können, ohne dass Tiere dafür getötet werden müssen. Damit ist der sogenannte Tierverbrauch, das heißt der schädigende Einsatz von Tieren, meist überflüssig, um ein Studium erfolgreich abzuschließen. Die Vielzahl bereits eingesetzter alternativer Lehrmaterialien zeigt pädagogisch wertvolle und innovative Wege, wie die zukünftige Lehre gestaltet werden kann. Der hohen Verantwortung von Lehrer:innen, Forscher:innen und Mediziner:innen sollte bereits in der Ausbildung Rechnung getragen werden.

Auskunft zum Einsatz von Tieren und Alternativen

Die Dozent:innen wurden unter anderem befragt, ob und welche tierleidfreien Alternativen genutzt werden. Außerdem wurden Fragen zum Einsatz von lebenden und toten Tieren bzw. Tierteilen gestellt und ob es Ausweichmöglichkeiten für Studierende gibt, die dies ablehnen. Weiterhin wurden Tierart, Herkunft der Tiere, Lernziele, Versuchsablauf und Bewertung von Alternativen im Vergleich zum Tiereinsatz abgefragt. Die Antworten wurden durch Modulbeschreibungen und Informationen der Hochschulen ergänzt. Somit konnten über 70 Prozent der 711 Pflicht- und Wahlpflicht-Kurse von deutschlandweit 119 Studiengängen bewertet werden: Für 55 Hochschulen im Fach Biologie, für 32 Hochschulen im Fach Humanmedizin sowie für die fünf veterinärmedizinischen Fachbereiche.

Anleitung zur Nutzung des Wegweisers

Der Wegweiser ist so aufgebaut, dass eine schnelle Suche durch einfaches Anklicken der je nach Tiereinsatz farblich gekennzeichneten Studienorte möglich ist. Die Darstellung der Kurse ermöglicht einen direkten Vergleich zwischen den Hochschulen.
Die Studiengänge sind farblich geordnet nach einem eigens definierten Schweregrad des Tierverbrauchs in den Pflichtkursen. Dafür wurden alle Kurse, die potenziell Tiere einsetzen, in vier Kategorien eingeordnet, je nach Nutzung von Tieren/Alternativen/Ausweichoptionen, Wirbeltieren/Wirbellosen sowie invasiven/nicht-invasiven Eingriffen.

Farbliche Einordnung der Studiengänge und Kurse:

  • Grün: ohne Tiereinsatz
  • Gelb: Tiereinsatz, aber Ausweichoption (1) / nicht-invasive Versuche / „Schlachtabfall“, Beifang
  • Orange: Einsatz von Wirbellosen (2) (invasive Versuche, tote Tiere)
  • Rot: Einsatz von Wirbeltieren, Kopffüßern, Zehnfußkrebsen (invasive Versuche, tote Tiere)

Neben Anatomie, Physiologie, Bestimmungsübungen wurden u.a. auch Genetik, Entwicklungsbiologie, Neurobiologie und weitere Schwerpunkte erfasst. Detaillierte Kursinhalte sind separat aufgeführt.
Die letzte Umfrage wurde 2011/2012 durchgeführt. Soweit vorhanden, befinden sich die Angaben in den Kursbeschreibungen, so dass die Entwicklungen sichtbar sind.

(1) Ausweichoptionen sind in dem Wegweiser Alternativen, die einzelnen Studierenden auf Anfrage/Antrag gewährt werden (und nicht standardmäßig eingesetzt werden).

(2) Versuche an Wirbellosen mit Ausnahme von Kopffüßern und Zehnfußkrebsen sind, im Gegensatz zu Tierversuchen (Eingriffe an Wirbeltieren und Kopffüßern), nicht genehmigungspflichtig bzw., im Gegensatz zu Eingriffen an Zehnfußkrebsen, nicht anzeigepflichtig. Die Versuchspraktiken unterliegen daher keinen Reglementierungen.

SATIS dankt allen teilnehmenden Dozent:innen für Ihre Auskunft!

Hier können Sie sich den SATIS-Hochschul-Wegweiser für ein Studium ohne Tiereinsatz herunterladen.

Positive Entwicklung in Human- und Veterinärmedizin

Im Vergleich zur letzten Umfrage vor elf Jahren zeigt sich ein positiver Trend in der Human- und Veterinärmedizin: Hier setzen sich zunehmend tierleidfreie Lehrmethoden durch. Wurden in der Humanmedizin vor elf Jahren noch in mindestens 46 Prozent der Studiengänge Tiere eingesetzt, sind es heute nur etwa 22 Prozent, siehe Abb. 1, Kategorie rot (Wirbeltiere) und orange (Wirbellose). In der Veterinärmedizin wurden 2011 an allen fünf Hochschulen Tiere „verbraucht“. Nach der aktuellen Umfrage ist dies nach den auswertbaren Angaben nur noch an zwei Hochschulen der Fall. Da für viele Studiengänge nicht alle Pflichtkurse bewertet werden konnten, kann der Anteil auch höher liegen. Dennoch kann von einem positiven Trend zu tierleidfreien Lehrmethoden in der Human- und Veterinärmedizin ausgegangen werden.

Abb. 1: Anzahl der Studiengänge in den Kategorien nach Einsatz von Tieren/Alternativen. Die Einordnung der Studiengänge basiert auf dem Pflichtkurs mit schwerwiegendstem Tiereinsatz. Die Einordnung der Studiengänge in Kombination mit ■ ist nicht sicher und kann, je nach Methode in den Pflichtkursen ohne bisherige Angabe, zur Kategorie mit schwerwiegenderem Tiereinsatz wechseln. Bei diesen Kursen sollten Studierende nachfragen.   

Von den 32 auswertbaren Medizin-Studiengängen setzen sieben Hochschulen (22 Prozent) im vorklinischen Teil Alternativen ein, siehe Abb. 1 (Kategorie grün). Bei fünf Hochschulen (16 Prozent) müssen Studierende in den Pflichtkursen immer noch Übungen an Wirbeltieren sowie Kopffüßern und Zehnfußkrebsen durchführen (Kategorie rot).
Im Studium der Veterinärmedizin setzen die tierärztlichen Hochschulen Gießen und München setzen Wirbeltiere bzw. Kopffüßer oder Zehnfußkrebse in invasiven Versuchen oder für Präparationen ein (Kategorie rot). In Hannover und Leipzig sind die auswertbaren Pflichtkurse tierleidfrei (Kategorie grün-schwarz).

Biologie: höchster Tierverbrauch

Enttäuschend ist die Entwicklung bei der Biologie (Bachelor): Bei mindestens 78 Prozent der Biologie-Studiengänge werden noch immer Tiere getötet oder in invasiven Versuchen eingesetzt, siehe Abb. 1 (Kategorie rot und orange). Das heißt die Studierenden dort müssen zwingend an lebenden oder getöteten Tieren üben, um den Leistungsnachweis zu erhalten. Bei 36 der 55 auswertbaren Studiengänge (66 Prozent) enthalten die Pflichtkurse Übungen an Wirbeltieren bzw. Kopffüßern oder Zehnfußkrebsen (Kategorie rot). Besonders viele Tiere werden in den Sezierkursen der Zoologie bzw. Anatomie eingesetzt. Auch in der Physiologie werden oft Organe getöteter Tiere verwendet und auch Tierversuche an lebenden Tieren durchgeführt.

Dabei gibt es Hochschulen, die auch im Biologie-Studium diese klassischen Pflichtkurse tierleidfrei durchführen: Zwei Biologie-Studiengänge konnten der grünen Kategorie, also ohne standardmäßigen Tierverbrauch zugeordnet werden (siehe Abb. 1).

Biologie-Studium (Bachelor) tierleidfrei möglich

So können die Biologiestudierende in Freiburg und Mainz zwischen den Kursen bzw. Übungen mit und ohne Tierverbrauch wählen. In Mainz können dabei die klassischen Fächer Zoologie und Physiologie tierleidfrei belegt werden. Die Auswahl wird im Zeugnis vermerkt, hat aber keine Auswirkungen auf das weitere Studium. Die Leistungen ohne Tierverbrauch sind denen mit Tiereinsatz ebenbürtig. Auch die Uni Flensburg (nur Lehramt) bietet in den auswertbaren Pflichtkursen standardmäßig tierfreie Übungen an, allerdings erhielt SATIS keine Auskunft über den dortigen Anatomiekurs (Kategorie grün-schwarz).

Vier Studiengänge der Biologie wurden dem kritischen Bereich (gelb) zugeordnet, siehe Abb. 1. Hier werden in den Pflichtkursen nicht-invasive Tierversuche durchgeführt. Alternativ können Studierende auf Anfrage bzw. Antrag die Übungen an Tieren umgehen (3) oder es werden tierische Materialien von Schlachthöfen oder Beifänge verwendet. In drei Biologie-Studiengängen werden unter den Pflichtkursen ausschließlich wirbellose Tiere in invasiven Versuchen eingesetzt oder getötet.

(3) siehe Verzichtsmöglichkeit in 10 Bundesländern

Fach Zoologie: Ersatzmethoden sind die Ausnahme

Abb. 2: Anzahl der Kurse Zoologie/Anatomie und Physiologie (jeweiliger Grundkurs in den Studiengängen Biologie und Medizin) in den Kategorien nach Einsatz von Tieren beziehungsweise Alternativen (Legende siehe Abb. 1).

Im Grundpraktikum der Zoologie wird im Biologie-Studium die Anatomie der Tiere untersucht. Dafür werden an den meisten Unis getötete Tiere präpariert. 34 von 53 Biologie-Studiengängen verwenden in diesem Kurs getötete Wirbeltiere sowie Kopffüßer oder Zehnfußkrebse, siehe Abb. 2 (Kategorie rot). Ersatzmethoden sind die Ausnahme. Hier scheint es für viele Dozent:innen eine Notwendigkeit zu sein, echte Tiere zu sezieren, statt Präparations-Modelle, Computerprogramme oder Videoaufzeichnungen zu verwenden – und das, obwohl die Lernziele an anderen Hochschulen ohne Tiertötungen erreicht werden können. Bei der Umfrage zeigt sich, dass viele Dozent:innen den Einsatz von Tieren befürworten. Andere zeigten sich bemüht, Kurse umzustellen, indem stattdessen Wirbellose verwendet oder Ausweichoptionen angeboten werden.

Mainz: Zoologie ohne Tierverbrauch

Eine Vorbildfunktion hat die Hochschule Mainz: Hier kann die Anatomie im Biologiestudium standardmäßig ohne Tierverbrauch absolviert werden, siehe Abb. 2 (Kategorie grün). An 15 Hochschulen werden für das Fach auf Anfrage bzw. Antrag Videos von Präparationen angeboten oder „Schlachtabfälle“ bzw. Beifang verwendet (Kategorie gelb). An drei Hochschulen werden ausschließlich Wirbellose eingesetzt (Kategorie orange).

Spendertiere retten Leben

In der Tiermedizin ist von den drei auswertbaren Anatomiekursen ebenfalls nur einer tierleidfrei: In Berlin werden nur Körper von Tieren seziert, die eingeschläfert werden mussten (Kategorie grün). In Gießen werden Tiere aus der Pathologie präpariert sowie Spendertiere. Zugekauft werden Schafe und Hühner, die aus Alters- und Krankheitsgründen aus landwirtschaftlichen Betrieben abgegeben wurden (Kategorie gelb). In München werden Spendertiere, wie Pferde, Hunde und Katzen, sowie Schweine aus Tierversuchen präpariert (Kategorie rot).

Physiologie: Alternativen gleichwertig oder besser

Anders sieht es bei der Physiologie aus: In diesem Fach setzen sich tierleidfreie Methoden immer mehr durch. Bundesweit werden noch in elf Physiologie-Kursen (23 Prozent) der Biologiestudiengänge Wirbeltiere, Kopffüßer oder Zehnfußkrebse bzw. getötete Tiere eingesetzt, siehe Abb. 2 (Kategorie rot). In 19 Kursen (40 Prozent) haben die Unis standardmäßig auf Ersatzmethoden umgestellt (Kategorie grün). Dies sind beispielsweise Selbstversuche und Simulationsprogramme, wie die Sim-Reihe von Virtual Physiology. Die Umfrage ergab, dass viele Dozent:innen von den Alternativen überzeugt sind. Sie bewerteten sie, hinsichtlich der Erreichung der Lernziele, des Ressourcenverbrauchs und der Akzeptanz durch die Studierenden, als gleichwertig, teilweise sogar besser als die Übungen mit Tieren.

Medizin: Alternativen gebräuchlicher

Im Studium der Humanmedizin werden im Praktikum der Biologie traditionell präparierte Tiere verwendet. Nach der aktuellen Umfrage sind mittlerweile zehn der auswertbaren Kurse, also etwa zwei Drittel, tierleidfrei, siehe Abb. 2 (Kategorie grün). Die Physiologie-Kurse werden zu 84 Prozent (16 Kurse) ohne Tiere durchgeführt.

Skills Labs und Simulationsprogramme

Für die Physiologie im tiermedizinischen Studium haben wir nur von zwei Hochschulen Informationen erhalten: In Gießen werden neben Filmmaterial und Computersimulationen praktische Übungen zur Diagnostik an Ziegen durchgeführt (Kategorie gelb). München verwendet Simulationsprogramme und zur Diagnostik abgenommenes tierisches Blut (Kategorie grün). Positiv ist, dass es an allen fünf Hochschulen mittlerweile Skills Labs gibt, mit denen die Studierenden ihre chirurgischen Fertigkeiten an Modellen trainieren können.

Nötig: tierleidfreie Pflichtkurse

Dass erfolgreiche Abschlüsse ohne das Töten von Tieren möglich sind, zeigen die vielen Hochschulen, die die klassischen Pflichtkurse komplett tierleidfrei durchführen. Der Tierverbrauch ist in den meisten Fällen für die spätere berufliche Tätigkeit nicht nötig. Nur ein Bruchteil der angehenden Biolog:innen arbeitet später praktisch mit Tieren. Wer später Tierversuche durchführt, muss sowieso einen zusätzlichen tierexperimentellen Kurs absolvieren.

Tiereinsatz oft widerrechtlich

Abgesehen davon, dass zunehmend gleichwertige, moderne Alternativen zur Verfügung stehen ist es nicht nur unethisch, Tiere zu töten, sondern auch unrechtmäßig. Denn nach EU-Tierversuchsrichtlinie sollen Tiere zu wissenschaftlichen Zwecken oder zu Bildungszwecken nur dann eingesetzt werden, wenn es keine Alternative gibt. Ähnlich regelt es das deutsche Tierschutzgesetz unter § 7a. Danach dürfen Tierversuche, nur durchgeführt werden dürfen, soweit sie für bestimmte Zwecke, darunter die Aus-, Fort- oder Weiterbildung, unerlässlich sind.

Das Problem ist der Interpretationsspielraum bei der Frage, ob der Zweck auch durch Alternativen erreicht werden kann. Dies beantworten Dozent:innen unterschiedlich. Außerdem wird in der Praxis zu selten geprüft, ob alternative Lehrmethoden existieren. Um sicherzustellen, dass der Tiereinsatz tatsächlich beendet wird, sobald eine alternative Lehrmethode existiert, muss es verbindliche und aktuelle Listen von Alternativen geben, deren Einsatz verpflichtend ist. Ihre Nutzung müsste regelmäßig überprüft und bei Verstößen mit empfindlichen Strafen belegt werden.

Bitte beachten: Alle Angaben ohne Gewähr

Aufgrund der Vielfalt der angebotenen Studiengänge und Fakultäten in Deutschland sowie der teilweise wechselnden Lehrangebote soll diese Übersicht nicht als vollständig betrachtet werden. Wir bemühen uns um eine ständige Aktualisierung. Sollten die Informationen zu den Lehrinhalten und Studienmöglichkeiten an Ihrer Universität fehlen bzw. nicht mehr aktuell sein, würden wir uns über eine Rückmeldung freuen.